Es gehört zu den Topoi der Literaturwissenschaft, in Saint- Evremond einen Vorläufer der Aufklärung zu sehen. Jedoch ist die Berechtigung dieser Zuordnung nie begründet worden. Die vorliegende Studie hinterfragt das Bild einer ¨modernen¨ Saint- Evremond kritisch, indem sie die Essays, Briefe, Vers- und Theatertexte des Moralisten einer detaillierten Analyse unterzieht. Aspekte der Rezeptions- , Begriffs- und Ideengeschichte werden dabei ebenso berücksichtigt wie sozio- historische Fragen.
Schwerpunkt der Untersuchung sind Saint- Evremonds Geschichtsschreibung und sein bereits aufklärerisch zu nennendes Geschichtsbewusstsein, daneben seine Literaturkritik und seine Toleranzidee, ferner seine politischen Vorstellungen und sein Kosmopolitismus. Kennzeichnen Saint- Evremonds sind sein skeptischer Relativismus und sein Individualismus. Sie prägen diesen ¨honnête homme¨, dessen Ideen für die Frühaufklärung und das 18. Jahrhundert wegweisend sind. Und sie geben zugleich exemplarisch Aufschluss über Entwicklung und Bedeutung von ¨libertinage¨ und Epikureismus am Ende des 17. Jahrhunderts.
Insgesamt leistet die Studie damit einen Beitrag zum besseren Verständnis der Klassik und der noch wenig erforschten Frühaufklärung.