Die Neutralität ist die wichtigste aussenpolitische Maxime des schweizerischen Bundesstaates. Ihre Auslegung und Umsetzung waren jedoch immer umstritten. Im Spannungsfeld unterschiedlicher politischer Kräfte wurde sie fortwährend neu gedeutet und im Hinblick auf die internationale Situation und auf innenpolitische Konstellationen modifiziert. Gilbert Grap geht in seinem Buch dem Volksbund für die Unabhängigkeit der Schweiz (VUS) nach, der sich massiv in diese Debatten einmischte. 1921 von rechtskonservativen, germanophilen Kreisen gegründet, bekämpfte er den Beitritt der Schweiz zum Völkerbund und das daraus folgende Konzept der «differenziellen Neutralität». Beeindruckt durch den Landesstreik von 1918 - der grössten innenpolitischen Krise - und beeinflusst durch neue nationalistische Strömungen, die sich nach dem Ersten Weltkrieg auch in andern Ländern zeigten, forderte er die Rückkehr zu einer kompromisslosen «integralen Neutralität». Er lehnte Liberalismus und Sozialismus ab und votierte für eine starke Armee zur Verteidigung der nationalen Souveränität. Damit verbunden war der Kampf gegen «geistige Überfremdung». Immer stärker profilierte sich der VUS als Avantgarde einer nationalen Erneuerungsbewegung. 1933 bekannten sich einige seiner massgeblichen Exponenten offensiv zum antisemitischen, antidemokratischen Gedankengut des «Frontenfrühlings».In bisher kaum erforschten Quellen wie zum Beispiel Protokollen und Schriften des VUS recherchierte der Historiker Gilbert Grap minutiös die Spur des VUS in die Schweizer Politik und Gesellschaft bis ins Jahr 1934. Das Buch bietet einen neuen Blick auf die Schweiz der Zwischenkriegszeit. Es stellt Debatten zur Neutralität dar und vermittelt damit einen neuen Zugang zu den heutigen Kontroversen um die Aussenpolitik der Schweiz.